Naturschutzverbände gegen Einsatz von Karate Forst

NABU und BUND prüfen Rechtsmittel

Potsdam – Mit einer Allgemeinverfügung hat der Landesbetrieb Forst nunmehr angekündigt, das Totalinsektizid „Karate Forst flüssig“ aus Hubschraubern zu versprühen. Die Bekämpfungsmaßnahme gilt vornehmlich der Nonne, einer Tagfalterart, deren Raupen sich von den Nadeln der Kiefern ernähren. Betroffen sind mehrere tausend Hektar Kiefernforstfläche in den Kreisen Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming. Für Waldbesitzer, die Wälder vor dieser Vergiftungsaktion schützen wollen, sind schon Bußgelder bis zu 100.000 Euro angekündigt worden.

Besonders die Anwohner in den Waldsiedlungen um das zu behandelnde Gebiet sowie betroffene Privatwaldbesitzer machen nun mobil und wollen diese Maßnahme nicht so einfach über ihre Köpfe hinweg über sich ergehen lassen. Der NABU Brandenburg unterstützt sie dabei und hatte das Besprühen der Waldflächen im Beteiligungsverfahren zum Gifteinsatz in Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark abgelehnt. Gemeinsam mit dem BUND hat der NABU nun einen Rechtsanwalt beauftragt zu prüfen, ob Rechtsmittel gegen die Vergiftungsaktion eingelegt werden können.

Die Rechtfertigung, mit dem Einsatz die ökologische Funktion des Waldes aufrecht zu erhalten, halten die Naturschützer für fraglich. Der Einsatz des Totalinsektizides führt zu einem erheblichen Eingriff in das Ökogefüge des Waldes. Tatsächlich gehe es um den Erhalt des Waldes als Wirtschaftsfaktor. „Angesichts des Insektensterbens und mit dem Hintergrund des vom Landwirtschafts- und Umweltministeriums einberufenen Insektengipfels Ende März scheinen die Bemühungen des Landes um eine insektenfreundlichere Ausrichtung ad absurdum geführt,“ sagt Ökotoxikologe und NABU Waldexperte, PD Dr. Werner Kratz. „Man kann nicht glaubhaft vermitteln, dass einerseits mit Blühstreifen dem Insektenrückgang entgegengewirkt werden soll, und andererseits auf Forstflächen Totalinsektizide in Größenordnungen zur Anwendung kommen, um Holzerträge zu sichern.“ Auch durch die aktuelle Volksinitiative „Artenvielfalt retten – Zukunft sichern“ der Naturschutzverbände hat sich in Brandenburg das Bewusstsein auch für den massenhaften Verlust an Insekten erweitert.

Das Pestizid hat verheerende Auswirkungen auf Mensch und Natur. Als Totalinsektizid vernichtet es nicht nur die Nonnenraupen, sondern alle weiteren im Gebiet vorkommenden natürlichen Bestäuber, Gegenspieler der Schädlinge und letztendlich die Nahrungsgrundlage für Vögel oder Fledermäuse. Auch für den Menschen selbst kann keine Unbedenklichkeit des Mittels bescheinigt werden. So gehört das in Karate Fors enthaltene Lambda-Cyhalothrin zu einer Wirkstoffgruppe, die auch das menschliche Nervensystem angreift. Noch mindestens drei Wochen nach dem letzten Sprüheinsatz dürfen keine Waldfrüchte, Kräuter und Pilze in den Wäldern gesammelt werden.

„Klar ist: Abhilfe vor Massenvermehrungen durch Schädlinge werden die geplanten Sprüheinsätze nur kurzfristig bringen. Es gilt, das natürliche ökologische Gefüge durch schnellen Waldumbau wiederherzustellen um damit langfristig den Wald zu schützen. Jetzt muss das Ministerium zeigen, wie ernst es ihm mit dem Schutz der Insekten ist“, so Kratz abschließend.

Ansprechpartner für Rückfragen:

PD Dr. Werner Kratz, stellvertretender Vorsitzender NABU Brandenburg: 0157-84678414

Hintergrundinformationen:

Der Einsatz des Mittels „Karate Forst flüssig“ ist nicht nur für die Insekten, sondern auch für Säugetiere und Menschen nicht unbedenklich. So weist der Hersteller selbst auf die akute inhalative Toxizität für Kleinsäuger bei geringen Mengen hin, die für Ratten bereits belegt ist. Wie sich dieser Sprühnebel bestehend aus dem Wirkstoff und diversen Formulierungsmittel wie 1,2 Ben-zisothiazol-3(2H) und Toluoldiisocyanat auf den Menschen und andere geschützte Tierarten wie beispielsweise Waldvogelarten und Fledermäuse auswirken, ist noch nicht abschließend erforscht. Erste Hinweise aus Forschungsvorhaben lassen aber daraus schließen, dass durch das Abtöten der Insekten zumindest Vögeln die Nahrungsgrundlage entzogen wird. Und das in einer Zeit, wo für die Aufzucht der Jungen erhöhte Nahrungsmengen gebraucht werden. Da das Mittel durch den darin enthaltenen Wirkstoff Lambda-Cyhalothrin auch für den Menschen giftig ist, hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit am 18. Januar 2019 die Anwendung von Karate bei Teekräuter, Salat und Dill verboten.